08 Jun Erfurt extrem – Kein Eintritt ohne Rute
von Dr. Klaus Hermann
Viele Jahre sind wir mit unseren Welsh Pembroke Corgis Kalle und Quinta über die Ausstellungen in Deutschland und den umliegenden Ländern gezogen. Viele Jahre war es dabei eine Selbstverständlichkeit, am Halleneingang die Impfpässe vorzuzeigen und dann die Veranstaltung zu betreten. Viele Jahre waren wir dann von dieser angenehm aufregenden Stimmung erfasst, mit anderen Mitstreitern im Ring um die Titel zu laufen. Das war immer wieder spannend und hat sogar über die Jahre die eine oder andere Freundschaft mit anderen Austellern entstehen lassen. Denn wo wir uns auf den Shows auch sehen, es ist doch immer die gleiche Gemeinschaft von Menschen, die über die Ausstellungen touren und eines ist uns allen gemeinsam: wir lieben unsere Hunde, wissen dass sie gesund sind und unter kontrollierten Bedingungen gezogen wurden.
Doch seit dem Erfurter Wochenende am 7./8. Mai 2022 ist ein bitterer Beigeschmack entstanden. Irgendein Gefühl ist entstanden zwischen ängstlicher Ohnmacht und unbändiger Wut. Wut über das, was mit unserer Aussteller- und Züchter-Szene gerade passiert. Aber auch Zorn und Entrüstung über Verantwortliche, die die Änderungen im Tierschutzgesetz zum Anlass genommen haben, neue Regeln einzuführen. Und zwar solche, die sich nicht unbedingt aus den Paragrafen des Gesetzes ableiten lassen.
Und deshalb ist es auch so, dass ich nun eine Geschichte über eine Ausstellung schreibe, auf der wir nie gewesen sind. Wir kennen nur die lange Schlange vor dem Eingang, in der einige von uns schon vorab mit einem mulmigen Gefühl standen. Denn noch nie zuvor waren so strenge Einlasskriterien formuliert worden. Dazu gehörte für jeden Aussteller die Bedingung, seinen Hund schon am Heimatort von einem Tierarzt oder ggf. einem Fachtierarzt auf das Vorhandensein von sogenannten Qualzuchtmerkmalen untersuchen zu lassen. Ob sich dies letztlich als eine zulässige Bedingung beweisen wird, müssen wohl Gerichte noch klären. Aber sei es drum, jeder der teilnehmen wollte, musste diese Hürde nehmen und war dann froh, mit der Bestätigung am Eingang zu stehen.
Was uns aber passierte, damit hatten wir in den kühnsten Fantasien nicht mit gerechnet.
Natural Bobtail
Nach über einer Stunde Anstehen in der Schlange wurden wir bei der Kontrolle der Eintrittskarten und Impfpässe auf Seite gebeten. Die Hunde müssten vom Amtstierarzt noch einmal separat untersucht werden. Spätestens in diesem Moment stieg der Adrenalinspiegel, denn das mitgebrachte tierärztliche Attest wurde offensichtlich nicht anerkannt. Der Amtsveterinär hatte bestimmt, sich alle Hunde mit gewissen Auffälligkeiten ansehen zu wollen. Einige Minuten kam der besagte Dr. Kreis dann zu uns, schaute sich die Unterlagen an und wollte die Hunde untersuchen. Mit der Aufforderung diese mal festzuhalten damit sie nicht beißen, beugte er sich zunächst zu unserem Rüden Kalle herunter. Kalle hat einen angeborenen Natural Bobtail, das bescheinigt auch ein Gentest von Laboklin, den wir ebenfalls hätten vorlegen können. Dr. Kreis tastete nun die kurze Rute von Kalle ab und drückte sie dann auf eine etwas seltsam anmutende Art zum After herunter. Dann nahm er zusätzlich beide Hinterbeine in die Hand und hob Kalle so mit herabgedrückter Rute hinten an. Beide Hinterbeine in der Luft und auf den Vorderpfoten stehend konnte ich ihm sein Knurren nicht übel nehmen. Ähnliche Laute hätte ich selber gerne gemacht, denn das gefiel mir gar nicht, was der Herr Amtsveterinär da machte. Offensichtlich war diese Untersuchung dazu gedacht zu überprüfen, ob die Ruten lang genug sind, um After und Vagina zu bedecken. Ein Kriterium, das so in keinem der Tierschutzparagrafen beschrieben ist.
Ohne ein Wort zu sagen ging er dann zu unserer Hündin Quinta, die einen sehr kurzen Bobtail hat, ebenfalls angeboren, ebenfalls mit Gentest bescheinigt. An ihr vollbrachte er die gleichen Handgriffe und sagte dann: „Den Rüden lasse ich zu, aber die Hündin nicht. Die hat ja quasi keinen Schwanz“.
Spätestens an diesem Punkt war mir klar, dass dieser Tierarzt unberechenbar ist. Hatte er es doch im Vorfeld der Ausstellung zur Bedingung gemacht, dass alle Hunde vorher tierärztlich untersucht werden mussten, so setzte er sich jetzt ganz offensichtlich über diese eigene Anforderung und die daraus resultierenden Befunde hinweg und brachte neue Regeln ins Spiel, die vorher keiner wissen konnte. Damit ignorierte er aber auch seine eigenen Vorgaben. In der Ausschreibung von Erfurt hätte auch stehen können: „Sie müssen Ihre Hunde vor der Show von ihrem Haustierarzt auf Qualzuchtmerkmale untersuchen lassen. Ob wir das dann anerkennen, kann nicht garantiert werden. Der Amtstierarzt wird eigene Untersuchungen nach Kriterien durchführen, die jetzt noch nicht bekannt sind“.
Hunde müssen Schwänze haben!
Dann wurde es emotional. Ich fragte Dr. Kreis, ob er wisse, dass diese Bobtails im Rassestandard sogar erwähnt werden und dass es zwar sehr kurze Ruten, aber nicht keine Ruten seien. In dem tierärztlichen Attest war nämlich eine Stellungnahme zur Rutenlosigkeit gefordert. Insofern also eine völlig korrekte Bescheinigung unserer Tierärztin. Ja, das mit dem Rassestandard wisse er. Aber – und jetzt kommt’s: „Hunde müssen Schwänze haben! Und die Hündin hat fast keinen Schwanz“. So seine Worte. Den Begriff Rute kennt er offensichtlich nicht.
Mit diesem Satz ließ er uns stehen. Keine weiteren Erklärungen. Kein Eingehen auf die Tränen meiner Frau, die ihre Verzweiflung nicht mehr verbergen konnte. Er ging zu den Helfern am Eingang und gab Bescheid, dass die Hündin die Ausstellung nicht betreten dürfe.
Ich kann die Gesichter der Helfer nur als verstört und voller Mitleid uns gegenüber beschreiben. Keiner verstand so richtig, was da gerade passiert war. Aber eines war allen klar: wir sind gezwungen das zu akzeptieren, was dieser Amtstiertarzt entschieden hat.
Unstrittig gesunde Tiere
Mit diesem Gefühl der Entrüstung ein Opfer reiner Willkürentscheidungen geworden zu sein, mussten wir den Eingangsbereich wieder verlassen. Dass unsere Hunde unstrittig gesunde Tiere sind und dass sie rassetypische kurze Ruten haben, stand plötzlich in dem Licht, dass sich hier Besitzer von qualgezüchteten armen Tieren versuchen Einlass zu verschaffen und jetzt endlich als das erkannt wurden, was sie wohl sein sollen: Tiere die man so öffentlich nicht zeigen darf und die auch nicht zur Zucht zugelassen werden dürfen.
Diese eigenwilligen Auslegungen der Tierschutzparagrafen haben nicht nur in unserem Fall die Tage in Erfurt überschattet. Die Presse berichtete, beim VDH und dem CfBrH kamen Gegenreaktionen in Gang. Das einzige was ich persönlich tun konnte, habe ich getan. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde über Dr. Kreis auf den Weg gebracht. Denn er hat nach meiner Einschätzung die Tierschutzparagrafen nicht nur ungerechtfertigt und im Sinne seiner eigenen Überzeugungen ausgelegt, sondern auch sachlich falsche Entscheidungen getroffen.
Und zusätzlich hat er die gesamte Züchter- und Aussteller-Szene unter den Generalverdacht von Qualzucht gestellt. Nicht nur durch die Voruntersuchungen, sondern auch durch die Zurückweisung von Hunden am Eingang trotz vorliegendem Attest, hat er finanzielle Schäden erzeugt. Unsere Meldegelder wurden nicht zurückerstattet, geschweige denn Fahrt- und Hotelkosten. Und letztlich wurde auch das Ansehen von Erfurt als Ausstellungsort beschädigt. Schon im Vorfeld gab es eine Vielzahl von Absagen, die den Veranstalter und auch die lokale Wirtschaft geschädigt haben. Wenn diese Vorfälle nicht zu einer letztlichen Klärung der Befugnisse und der Deutungshoheit der Gesetzestexte führen, dann wird der Einlass in Hundeshows in Deutschland demnächst zu einem Lotteriespiel werden.