Kein Eintritt ohne Rute!

Erfurt extrem – Kein Eintritt ohne Rute

von Dr. Klaus Hermann

Vie­le Jah­re sind wir mit unse­ren Welsh Pem­bro­ke Cor­gis Kal­le und Quin­ta über die Aus­stel­lun­gen in Deutsch­land und den umlie­gen­den Län­dern gezo­gen. Vie­le Jah­re war es dabei eine Selbst­ver­ständ­lich­keit, am Hal­len­ein­gang die Impf­päs­se vor­zu­zei­gen und dann die Ver­an­stal­tung zu betre­ten. Vie­le Jah­re waren wir dann von die­ser ange­nehm auf­re­gen­den Stim­mung erfasst, mit ande­ren Mit­strei­tern im Ring um die Titel zu lau­fen. Das war immer wie­der span­nend und hat sogar über die Jah­re die eine oder ande­re Freund­schaft mit ande­ren Aus­tel­lern ent­ste­hen las­sen. Denn wo wir uns auf den Shows auch sehen, es ist doch immer die glei­che Gemein­schaft von Men­schen, die über die Aus­stel­lun­gen tou­ren und eines ist uns allen gemein­sam: wir lie­ben unse­re Hun­de, wis­sen dass sie gesund sind und unter kon­trol­lier­ten Bedin­gun­gen gezo­gen wurden.

Doch seit dem Erfur­ter Wochen­en­de am 7./8. Mai 2022 ist ein bit­te­rer Bei­geschmack ent­stan­den. Irgend­ein Gefühl ist ent­stan­den zwi­schen ängst­li­cher Ohn­macht und unbän­di­ger Wut. Wut über das, was mit unse­rer Aus­stel­ler- und Züch­ter-Sze­ne gera­de pas­siert. Aber auch Zorn und Ent­rüs­tung über Ver­ant­wort­li­che, die die Ände­run­gen im Tier­schutz­ge­setz zum Anlass genom­men haben, neue Regeln ein­zu­füh­ren. Und zwar sol­che, die sich nicht unbe­dingt aus den Para­gra­fen des Geset­zes ablei­ten lassen.

Und des­halb ist es auch so, dass ich nun eine Geschich­te über eine Aus­stel­lung schrei­be, auf der wir nie gewe­sen sind. Wir ken­nen nur die lan­ge Schlan­ge vor dem Ein­gang, in der eini­ge von uns schon vor­ab mit einem mul­mi­gen Gefühl stan­den. Denn noch nie zuvor waren so stren­ge Ein­lass­kri­te­ri­en for­mu­liert wor­den. Dazu gehör­te für jeden Aus­stel­ler die Bedin­gung, sei­nen Hund schon am Hei­mat­ort von einem Tier­arzt oder ggf. einem Fach­tier­arzt auf das Vor­han­den­sein von soge­nann­ten Qual­zucht­merk­ma­len unter­su­chen zu las­sen. Ob sich dies letzt­lich als eine zuläs­si­ge Bedin­gung bewei­sen wird, müs­sen wohl Gerich­te noch klä­ren. Aber sei es drum, jeder der teil­neh­men woll­te, muss­te die­se Hür­de neh­men und war dann froh, mit der Bestä­ti­gung am Ein­gang zu stehen.

Was uns aber pas­sier­te, damit hat­ten wir in den kühns­ten Fan­ta­sien nicht mit gerechnet.

Natural Bobtail

Nach über einer Stun­de Anste­hen in der Schlan­ge wur­den wir bei der Kon­trol­le der Ein­tritts­kar­ten und Impf­päs­se auf Sei­te gebe­ten. Die Hun­de müss­ten vom Amts­tier­arzt noch ein­mal sepa­rat unter­sucht wer­den. Spä­tes­tens in die­sem Moment stieg der Adre­na­lin­spie­gel, denn das mit­ge­brach­te tier­ärzt­li­che Attest wur­de offen­sicht­lich nicht aner­kannt. Der Amts­ve­te­ri­när hat­te bestimmt, sich alle Hun­de mit gewis­sen Auf­fäl­lig­kei­ten anse­hen zu wol­len. Eini­ge Minu­ten kam der besag­te Dr. Kreis dann zu uns, schau­te sich die Unter­la­gen an und woll­te die Hun­de unter­su­chen. Mit der Auf­for­de­rung die­se mal fest­zu­hal­ten damit sie nicht bei­ßen, beug­te er sich zunächst zu unse­rem Rüden Kal­le her­un­ter. Kal­le hat einen ange­bo­re­nen Natu­ral Bob­tail, das beschei­nigt auch ein Gen­test von Laboklin, den wir eben­falls hät­ten vor­le­gen kön­nen. Dr. Kreis tas­te­te nun die kur­ze Rute von Kal­le ab und drück­te sie dann auf eine etwas selt­sam anmu­ten­de Art zum After her­un­ter. Dann nahm er zusätz­lich bei­de Hin­ter­bei­ne in die Hand und hob Kal­le so mit her­ab­ge­drück­ter Rute hin­ten an. Bei­de Hin­ter­bei­ne in der Luft und auf den Vor­der­pfo­ten ste­hend konn­te ich ihm sein Knur­ren nicht übel neh­men. Ähn­li­che Lau­te hät­te ich sel­ber ger­ne gemacht, denn das gefiel mir gar nicht, was der Herr Amts­ve­te­ri­när da mach­te. Offen­sicht­lich war die­se Unter­su­chung dazu gedacht zu über­prü­fen, ob die Ruten lang genug sind, um After und Vagi­na zu bede­cken. Ein Kri­te­ri­um, das so in kei­nem der Tier­schutz­pa­ra­gra­fen beschrie­ben ist.

Ohne ein Wort zu sagen ging er dann zu unse­rer Hün­din Quin­ta, die einen sehr kur­zen Bob­tail hat, eben­falls ange­bo­ren, eben­falls mit Gen­test beschei­nigt. An ihr voll­brach­te er die glei­chen Hand­grif­fe und sag­te dann: „Den Rüden las­se ich zu, aber die Hün­din nicht. Die hat ja qua­si kei­nen Schwanz“.

Spä­tes­tens an die­sem Punkt war mir klar, dass die­ser Tier­arzt unbe­re­chen­bar ist. Hat­te er es doch im Vor­feld der Aus­stel­lung zur Bedin­gung gemacht, dass alle Hun­de vor­her tier­ärzt­lich unter­sucht wer­den muss­ten, so setz­te er sich jetzt ganz offen­sicht­lich über die­se eige­ne Anfor­de­rung und die dar­aus resul­tie­ren­den Befun­de hin­weg und brach­te neue Regeln ins Spiel, die vor­her kei­ner wis­sen konn­te. Damit igno­rier­te er aber auch sei­ne eige­nen Vor­ga­ben. In der Aus­schrei­bung von Erfurt hät­te auch ste­hen kön­nen: „Sie müs­sen Ihre Hun­de vor der Show von ihrem Haus­tier­arzt auf Qual­zucht­merk­ma­le unter­su­chen las­sen. Ob wir das dann aner­ken­nen, kann nicht garan­tiert wer­den. Der Amts­tier­arzt wird eige­ne Unter­su­chun­gen nach Kri­te­ri­en durch­füh­ren, die jetzt noch nicht bekannt sind“.

Hunde müssen Schwänze haben!

Dann wur­de es emo­tio­nal. Ich frag­te Dr. Kreis, ob er wis­se, dass die­se Bob­tails im Ras­se­stan­dard sogar erwähnt wer­den und dass es zwar sehr kur­ze Ruten, aber nicht kei­ne Ruten sei­en. In dem tier­ärzt­li­chen Attest war näm­lich eine Stel­lung­nah­me zur Ruten­lo­sig­keit gefor­dert. Inso­fern also eine völ­lig kor­rek­te Beschei­ni­gung unse­rer Tier­ärz­tin. Ja, das mit dem Ras­se­stan­dard wis­se er. Aber – und jetzt kommt’s: „Hun­de müs­sen Schwän­ze haben! Und die Hün­din hat fast kei­nen Schwanz“. So sei­ne Wor­te. Den Begriff Rute kennt er offen­sicht­lich nicht.

Mit die­sem Satz ließ er uns ste­hen. Kei­ne wei­te­ren Erklä­run­gen. Kein Ein­ge­hen auf die Trä­nen mei­ner Frau, die ihre Ver­zweif­lung nicht mehr ver­ber­gen konn­te. Er ging zu den Hel­fern am Ein­gang und gab Bescheid, dass die Hün­din die Aus­stel­lung nicht betre­ten dürfe.

Ich kann die Gesich­ter der Hel­fer nur als ver­stört und vol­ler Mit­leid uns gegen­über beschrei­ben. Kei­ner ver­stand so rich­tig, was da gera­de pas­siert war. Aber eines war allen klar: wir sind gezwun­gen das zu akzep­tie­ren, was die­ser Amts­tiert­arzt ent­schie­den hat.

Unstrittig gesunde Tiere

Mit die­sem Gefühl der Ent­rüs­tung ein Opfer rei­ner Will­kür­ent­schei­dun­gen gewor­den zu sein, muss­ten wir den Ein­gangs­be­reich wie­der ver­las­sen. Dass unse­re Hun­de unstrit­tig gesun­de Tie­re sind und dass sie ras­se­ty­pi­sche kur­ze Ruten haben, stand plötz­lich in dem Licht, dass sich hier Besit­zer von qual­ge­züch­te­ten armen Tie­ren ver­su­chen Ein­lass zu ver­schaf­fen und jetzt end­lich als das erkannt wur­den, was sie wohl sein sol­len: Tie­re die man so öffent­lich nicht zei­gen darf und die auch nicht zur Zucht zuge­las­sen wer­den dürfen.

Die­se eigen­wil­li­gen Aus­le­gun­gen der Tier­schutz­pa­ra­gra­fen haben nicht nur in unse­rem Fall die Tage in Erfurt über­schat­tet. Die Pres­se berich­te­te, beim VDH und dem CfBrH kamen Gegen­re­ak­tio­nen in Gang. Das ein­zi­ge was ich per­sön­lich tun konn­te, habe ich getan. Eine Dienst­auf­sichts­be­schwer­de über Dr. Kreis auf den Weg gebracht. Denn er hat nach mei­ner Ein­schät­zung die Tier­schutz­pa­ra­gra­fen nicht nur unge­recht­fer­tigt und im Sin­ne sei­ner eige­nen Über­zeu­gun­gen aus­ge­legt, son­dern auch sach­lich fal­sche Ent­schei­dun­gen getroffen.

Und zusätz­lich hat er die gesam­te Züch­ter- und Aus­stel­ler-Sze­ne unter den Gene­ral­ver­dacht von Qual­zucht gestellt. Nicht nur durch die Vor­un­ter­su­chun­gen, son­dern auch durch die Zurück­wei­sung von Hun­den am Ein­gang trotz vor­lie­gen­dem Attest, hat er finan­zi­el­le Schä­den erzeugt. Unse­re Mel­de­gel­der wur­den nicht zurück­er­stat­tet, geschwei­ge denn Fahrt- und Hotel­kos­ten. Und letzt­lich wur­de auch das Anse­hen von Erfurt als Aus­stel­lungs­ort beschä­digt. Schon im Vor­feld gab es eine Viel­zahl von Absa­gen, die den Ver­an­stal­ter und auch die loka­le Wirt­schaft geschä­digt haben. Wenn die­se Vor­fäl­le nicht zu einer letzt­li­chen Klä­rung der Befug­nis­se und der Deu­tungs­ho­heit der Geset­zes­tex­te füh­ren, dann wird der Ein­lass in Hun­de­shows in Deutsch­land dem­nächst zu einem Lot­te­rie­spiel werden.