
08 Juni Erfahrungen aus dem Klinikalltag
von Heidi Sieber | Züchterin im Club für britische Hütehunde e.V.
Seit etwa drei Jahren arbeite ich als Quereinsteigerin in einer großen Tierklinik in Nürnberg. Dort bin ich in der Assistenz der Sprechstunde und im Bereich der Versorgung und Betreuung der stationär untergebrachten Tiere tätig. Aufgrund der Größe der Klinik werden dort sehr viele Tiere behandelt. Auch die Zahl der Tiere mit schweren Erkrankungen ist entsprechend hoch. Auffallend ist hier insbesondere, dass der Großteil der schwer erkrankten Hunde nicht aus VDH-Zuchten stammt.
Oft sind es Welpen, die auf der Quarantänestation landen. Schon kurz nach dem Erwerb werden sie von den Besitzern zu uns gebracht, weil sie an schweren Durchfällen und Erbrechen leiden. Die Berichte zum Erwerb sind sich oftmals sehr ähnlich: über eine Internet-Anzeige sind die Besitzer auf den Welpen aufmerksam geworden, in viele Fällen fand die Übergabe auf einer Autobahnraststätte statt, und wenn ein Heimtierausweis vorgelegt werden konnte, stammte dieser in der Regel aus Osteuropa. Das im Heimtierausweis angegebene Alter deckte sich in den meisten Fällen nicht mit dem für das Alter zu erwartenden Zahnstatus – bei vielen Welpen war das Milchgebiss noch unvollständig –, und auch vom Wuchs her war anzunehmen, dass es sich um deutlich jüngere Welpen handelte. Der Anfangsverdacht auf Parvovirose, der bei vielen Welpen aufgrund der Symptomatik gestellt wurde, bestätigte sich sehr häufig, und eine nicht geringe Anzahl verstarb noch während der Behandlung. Bisher habe ich nur einen einzigen Fall erlebt, bei dem ein Rassehund aus deutscher Zucht betroffen war.
Rasse- und Designerhunde
Einen großer Teil der vierbeinigen Patienten im Klinikalltag gehört zu den brachyzephalen Rassen. Diese werden nicht allein zur Behandlung von Atemproblemen vorgestellt, sondern weisen oftmals auch Rückenprobleme auf oder leiden an Allergien. Weil viele dieser Rassen in Mode sind, nimmt auch die Zahl der zu behandelnden Tiere stetig zu – neben den bekannten Rassehunden auch sogenannte Designerhunde, wie beispielsweise der Frops, bei dem es sich um einen Mischling aus Mops und Französischer Bulldogge handelt. Bei vielen Hunden lässt allein schon ein Blick auf die Fellfarbe deutliche Rückschlüsse auf ihre Herkunft zu, da viele Farbschläge vom VDH nicht anerkannt sind.
Viele Hunde werden wegen Problemen am Bewegungsapparat vorgestellt, infolge einer schweren Hüftgelenksdysplasie muss häufig ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt werden. Zahlenmäßig überwiegen hier die Mischlinge großer Hunderassen. Da ich selbst Border Collies züchte, hatte ich aus persönlichen Interesse bei den Besitzern zweier Border Collies, die in den vergangenen drei Jahren zur Behandlung vorgestellt wurden, nach der Herkunft gefragt: beide stammten nicht aus Vereinszucht. Im Gegensatz dazu erlebe ich in der Klinik viele Rassehunde, die vom Züchter für zuchtrelevante Untersuchungen vorgestellt werden – zur Röntgendiagnostik oder zur Untersuchung auf erbliche Augenerkrankungen. Auch verantwortungsbewusste Besitzer eines Rassehundes aus kontrollierter Zucht sind häufig daran interessiert, dieselben Untersuchungen vornehmen zu lassen – selbst, wenn kein Zuchteinsatz angestrebt wird.
Tiergesundheit verbessern
Nach meiner persönlichen Einschätzung sind es deshalb weniger die Rassehunde aus kontrollierter Zucht, die mit schwerwiegenden gesundheitlichen Probleme zu kämpfen haben. Wer annimmt, dass sich die Tiergesundheit bessert, wenn die Vereinszucht noch stärker reglementiert wird, nimmt gleichzeitig in Kauf, dass sich der Markt noch weiter zu Ungunsten der Hunde verschiebt, und noch mehr Welpen aus dem Ausland oder aus unkontrollierter Zucht gekauft werden.