Erfahrungen aus dem Klinikalltag

Erfahrungen aus dem Klinikalltag

Seit etwa drei Jah­ren arbei­te ich als Quer­ein­stei­ge­rin in einer gro­ßen Tier­kli­nik in Nürn­berg. Dort bin ich in der Assis­tenz der Sprech­stun­de und im Bereich der Ver­sor­gung und Betreu­ung der sta­tio­när unter­ge­brach­ten Tie­re tätig. Auf­grund der Grö­ße der Kli­nik wer­den dort sehr vie­le Tie­re behan­delt. Auch die Zahl der Tie­re mit schwe­ren Erkran­kun­gen ist ent­spre­chend hoch. Auf­fal­lend ist hier ins­be­son­de­re, dass der Groß­teil der schwer erkrank­ten Hun­de nicht aus VDH-Zuch­ten stammt.

Oft sind es Wel­pen, die auf der Qua­ran­tä­ne­sta­ti­on lan­den. Schon kurz nach dem Erwerb wer­den sie von den Besit­zern zu uns gebracht, weil sie an schwe­ren Durch­fäl­len und Erbre­chen lei­den. Die Berich­te zum Erwerb sind sich oft­mals sehr ähn­lich: über eine Inter­net-Anzei­ge sind die Besit­zer auf den Wel­pen auf­merk­sam gewor­den, in vie­le Fäl­len fand die Über­ga­be auf einer Auto­bahn­rast­stät­te statt, und wenn ein Heim­tier­aus­weis vor­ge­legt wer­den konn­te, stamm­te die­ser in der Regel aus Ost­eu­ro­pa. Das im Heim­tier­aus­weis ange­ge­be­ne Alter deck­te sich in den meis­ten Fäl­len nicht mit dem für das Alter zu erwar­ten­den Zahn­sta­tus – bei vie­len Wel­pen war das Milch­ge­biss noch unvoll­stän­dig –, und auch vom Wuchs her war anzu­neh­men, dass es sich um deut­lich jün­ge­re Wel­pen han­del­te. Der Anfangs­ver­dacht auf Par­vo­vi­ro­se, der bei vie­len Wel­pen auf­grund der Sym­pto­ma­tik gestellt wur­de, bestä­tig­te sich sehr häu­fig, und eine nicht gerin­ge Anzahl ver­starb noch wäh­rend der Behand­lung. Bis­her habe ich nur einen ein­zi­gen Fall erlebt, bei dem ein Ras­se­hund aus deut­scher Zucht betrof­fen war.

Rasse- und Designerhunde

Einen gro­ßer Teil der vier­bei­ni­gen Pati­en­ten im Kli­nik­all­tag gehört zu den brachy­ze­pha­len Ras­sen. Die­se wer­den nicht allein zur Behand­lung von Atem­pro­ble­men vor­ge­stellt, son­dern wei­sen oft­mals auch Rücken­pro­ble­me auf oder lei­den an All­er­gien. Weil vie­le die­ser Ras­sen in Mode sind, nimmt auch die Zahl der zu behan­deln­den Tie­re ste­tig zu – neben den bekann­ten Ras­se­hun­den auch soge­nann­te Desi­gner­hun­de, wie bei­spiels­wei­se der Frops, bei dem es sich um einen Misch­ling aus Mops und Fran­zö­si­scher Bull­dog­ge han­delt. Bei vie­len Hun­den lässt allein schon ein Blick auf die Fell­far­be deut­li­che Rück­schlüs­se auf ihre Her­kunft zu, da vie­le Farb­schlä­ge vom VDH nicht aner­kannt sind.

Vie­le Hun­de wer­den wegen Pro­ble­men am Bewe­gungs­ap­pa­rat vor­ge­stellt, infol­ge einer schwe­ren Hüft­ge­lenks­dys­pla­sie muss häu­fig ein künst­li­ches Hüft­ge­lenk ein­ge­setzt wer­den. Zah­len­mä­ßig über­wie­gen hier die Misch­lin­ge gro­ßer Hun­de­ras­sen. Da ich selbst Bor­der Col­lies züch­te, hat­te ich aus per­sön­li­chen Inter­es­se bei den Besit­zern zwei­er Bor­der Col­lies, die in den ver­gan­ge­nen drei Jah­ren zur Behand­lung vor­ge­stellt wur­den, nach der Her­kunft gefragt: bei­de stamm­ten nicht aus Ver­eins­zucht. Im Gegen­satz dazu erle­be ich in der Kli­nik vie­le Ras­se­hun­de, die vom Züch­ter für zucht­re­le­van­te Unter­su­chun­gen vor­ge­stellt wer­den – zur Rönt­gen­dia­gnos­tik oder zur Unter­su­chung auf erb­li­che Augen­er­kran­kun­gen. Auch ver­ant­wor­tungs­be­wuss­te Besit­zer eines Ras­se­hun­des aus kon­trol­lier­ter Zucht sind häu­fig dar­an inter­es­siert, die­sel­ben Unter­su­chun­gen vor­neh­men zu las­sen – selbst, wenn kein Zucht­ein­satz ange­strebt wird.

Tiergesundheit verbessern

Nach mei­ner per­sön­li­chen Ein­schät­zung sind es des­halb weni­ger die Ras­se­hun­de aus kon­trol­lier­ter Zucht, die mit schwer­wie­gen­den gesund­heit­li­chen Pro­ble­me zu kämp­fen haben. Wer annimmt, dass sich die Tier­ge­sund­heit bes­sert, wenn die Ver­eins­zucht noch stär­ker regle­men­tiert wird, nimmt gleich­zei­tig in Kauf, dass sich der Markt noch wei­ter zu Unguns­ten der Hun­de ver­schiebt, und noch mehr Wel­pen aus dem Aus­land oder aus unkon­trol­lier­ter Zucht gekauft werden.